Stützstrümpfe Schwangerschaft Warum Kompressionsstrümpfe in der Schwangerschaft wichtig sind

Autor: Dr. Lisa Dinh
Datum: 15.06.2020
Lesezeit: 6:7 min

In der Schwangerschaft sind Frauen um einiges anfälliger für geschwollene Beine, Ödeme, Thrombosen und Krampfadern, die selbst nach der Schwangerschaft nicht mehr abheilen.

Grund dafür sind mehrere Faktoren, die während der Schwangerschaft kombiniert auftreten und spätestens ab der 15 Schwangerschaftswoche das Tragen von Kompressionsstrümpfen zu einer Notwendigkeit werden lassen.

Normale Thrombose- oder Stützstrümpfe sind für diesen Zweck nicht mehr geeignet, da die Kompression zu gering ist und diese ihre Wirkung nur im Ruhezustand entfalten können. Sobald man sich bewegt, sind nur noch medizinische Kompressionsstrümpfe effektiv. Aufgrund des erhöhten Risikos einer Beinvenenthrombose in der Schwangerschaft, übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten, sobald dies ein Arzt verordnet.

Warum sind Schwangere gefährdet?

30% aller Frauen entwickeln bereits bei Ihrer ersten Schwangerschaft Krampfadern oder haben andere venöse Leiden. Ab der zweiten Schwangerschaft sind schon 55% aller Frauen betroffen. Wer schon zuvor kleine Besenreiser oder schwache Venen hatte, wird durch eine Schwangerschaft eine deutliche Verschlimmerung feststellen, wenn die Venen nicht durch Kompressionsstrümpfe unterstützt werden. Durch das Tragen der Strümpfe werden auch temporäre Leiden, wie geschwollene Beine, Spannungsschmerzen, sowie das Erschöpfungsempfinden verbessert oder treten gar nicht erst auf.

Wie schon erwähnt bringt eine Schwangerschaft eine ganze Reihe an Faktoren mit sich, die das Risiko für Thrombosen und Krampfadern um das 6-fache erhöhen. Die wichtigsten Gründe sind:

Der Hormonhaushalt

Das Hormon Gestagen wird ähnlich wie Östrogen in den Eierstöcken produziert und ist für die Vorbereitung der Gebärmutter auf die Schwangerschaft zuständig. Ein Effekt dessen ist die Lockerung des Bindegewebes, da dieses in der Schwangerschaft einer extremen Dehnung standhalten muss. Ein Nebeneffekt ist allerdings auch, dass das Gewebe die Venen schlechter zusammenhalten kann, was die Gefahr für Thrombosen und Krampfadern erhöht.

Hinzu kommt das Schwangerschaftshormon Progesteron, das nach der Befruchtung der Eizelle in einem extremen Ausmaß produziert wird. Es erweitert die Venen indem es die Wadenmuskulatur entspannt, was nicht unbedingt zu einer sofortigen Veneninsuffizienz (das Versagen der Venenklappen) führt, aber sichtbare und unschöne Aderverläufe entlang der Beine verursacht und den Blutfluss verlangsamt.

Das Gewicht des Babys

Durch das zusätzliche Gewicht des Babys erhöht sich der Druck auf die ohnehin schon geschwächten Venen im Bauchraum, was ab der zweiten Schwangerschaftshälfte besonders im Sitzen oder bei Rückenlage zum Tragen kommt. Der Blutfluss wird zum Teil verhindert und das Blut staut sich eher zurück. In dieser Zeit sollten Sie langes Stehen oder das Sitzen auf Barhockern, bei denen die Beine nach unten hängen, unbedingt vermeiden!

Die erhöhte Blutmenge

Im weiblichen Körper zirkulieren ca. 5 Liter Blut. In der Schwangerschaft erhöht sich die Blutmenge auf ca. 6,5 Liter, was den Druck in den Venen erhöht. Das zusätzliche Blut wird hauptsächlich für die Gebärmutter benötigt, aber auch für alle anderen Organe und die vergrößerten Brüste.

Ein langsamer Blutfluss

Während der Schwangerschaft ändert sich der Blutdruck ständig, was besonders durch den Östrogen-Anstieg zurückzuführen ist. Das weibliche Hormon weitet - ähnlich wie das Progesteron - die Blutgefäße, um den Embryo mit genügend Nährstoffen und Sauerstoff zu versorgen. Dies führt zu einem deutlichen Abfall des Blutdrucks in den ersten 3 Monaten. Auch die Vergrößerung der Gebärmutter trägt dazu bei, den Blutfluss in den Beinen zu verlangsamen.

Die erhöhte Blutgerinnung

Da der Körper sich vor dem Blutverlust bei der Geburt schützen muss, erhöhen sich die Blutgerinnungswerte zum Ende der Schwangerschaft. Dies kann leider auch zu einem Blutgerinnsel führen, was allerdings nur selten vorkommt und durch das Tragen von Kompressionsstrümpfen weitestgehend verhindert werden kann.

Die erhöhte Durchlässigkeit der Gefäße

Durch die bereits erwähnte hormonelle Veränderung lassen die Gefäßwände mehr Flüssigkeit durch, was sich zunächst in Beinschwellungen und in extremen Fällen in Ödemen äußert. Die Schwellung tritt meistens in der Knöchelgegend auf und kann durch das Tragen von Kompressionsstrümpfen nahezu komplett verhindert werden.

Während der Schwangerschaft vorbeugen

Um den unangenehmen und unästhetischen Symptomen vorzubeugen, sollten Sie ab der 15ten, spätestens ab der 20ten Schwangerschaftswoche Kompressionsstrümpfe tragen. Obwohl viele Frauen während der Schwangerschaft keine Thrombose oder Krampfadern entwickeln, ist ein prophylaktisches Tragen der Strümpfe sinnvoll. Denn wenn sich erstmal unschöne Krampfadern gebildet haben, bleiben diese dauerhaft sichtbar. Auch nach der Geburt.

Welche Strümpfe sind geeignet?

Für die Schwangerschaft sind Kompressionsstrümpfe in den Kompressionsklassen 1 und 2 geeignet. Wer das Tragen nicht gewöhnt ist, sollte mit der Klasse 1 beginnen und Klasse 2 erst zum Ende der Schwangerschaft verwenden. Das RAL-Gütezeichen ist ein Hinweis auf den graduellen Druckverlauf, der bei allen medizinischen Anwendungen von Kompressionsstrümpfen ein absolutes MUSS ist. Beachten Sie beim Vermessen, dass Sie im oberen Bereich ggf. noch an Umfang zulegen werden. Das ist normal und für eine Schwangerschaft auch hilfreich. Verschiedene Hersteller haben deswegen auch Kompressionsstrümpfe und Kompressionsstrumpfhosen speziell für Schwangere entwickelt, die im oberen Bereich elastischer sind und sich entsprechend anpassen. Das Modell “Materna” von Sigvaris oder markenübergreifende Bezeichnungen, wie ATM oder ATU sind ein Hinweis auf diese Eigenschaften.

Strumpfhose oder Socken?

Bei der Entscheidung zwischen halterlosen Strümpfen und einer bis zum Bauch reichenden Strumpfhose gibt es einiges zu beachten. Halterlose Strümpfe sind besonders im warmen Sommer ggf. angenehmer zu tragen und erlauben etwas mehr Freiheit beim Laufen. In der ersten Schwangerschaftshälfte stehen diesen Vorteilen noch keine Nachteile gegenüber.

Später ist eine Kompressionsstrumpfhose speziell für Schwangere allerdings eindeutig besser. Diese gibt nämlich auch Halt an der Hüfte und Leiste, wo sich Krampfadern besonders oft entwickeln. Für diesen Vorteil nehmen die meisten Frauen die zusätzliche Wärme und die Unannehmlichkeiten beim Toilettenbesuch gerne in Kauf.

Weitere Tipps für Schwangere gegen Venenleiden

Um die Schwangerschaft möglichst ohne Venenleiden zu überstehen, gibt es viele Tipps, die mit relativ wenig Aufwand befolgt werden können und der Entstehung von Krampfadern und Thrombosen ebenfalls vorbeugen.

Sport vor der Schwangerschaft Wenn Sie eine Schwangerschaft planen, sollten Sie zuvor ihre Beinmuskulatur etwas aufbauen. Joggen, Laufen, Yoga oder Pilates - Hauptsache es gefällt Ihnen und Sie bleiben dran. Durch die Übungen und den Aufbau der Muskulatur wird ihr Gewebe gestärkt und es ist später in der Schwangerschaft weniger anfällig für Venenleiden. In der Schwangerschaft selbst sollten Sie Ihre sportlichen Aktivitäten allerdings etwas zurücknehmen. In welcher Schwangerschaftswoche Sie noch Bewegung vertragen, besprechen Sie am besten mit Ihrem Arzt.

Es empfiehlt sich beim Sport bereits die Kompressionsstrümpfe zu tragen, auch wenn die Schwangerschaft noch nicht begonnen hat. Hier erfahren Sie warum.

Langes Stehen und Sitzen vermeiden Um Ihr Venensystem zusätzlich zu entlasten, sollten Sie ihre Beine regelmäßig nach oben legen. Langes Stehen ist absolut nicht zu empfehlen und auch langes Sitzen kann zu den genannten Symptomen führen, besonders wenn die Füße nicht den Boden berühren und von der Schwerkraft nach unten gezogen werden.

Vorsicht bei Hitze In den heißen Sommermonaten gilt besondere Vorsicht und das strikte Tragen der Kompressionsstrümpfe ist in dieser Zeitn doppelt empfehlenswert. Die Hitze weitet die Venen zusätzlich und die Gefährdung für dauerhafte Venenleiden ist bei heißen Temperaturen besonders hoch.

Regelmäßige Bewegung Trotz Schwangerschaft sollten Sie ihr tägliches Bewegungspensum nicht einstellen. Anspruchsvolle Sportarten sind natürlich nicht gemeint, aber gegen Schwimmen, Spazierengehen und Ähnliches ist nichts einzuwenden. Welche Aktivitäten Sie in welchem Ausmaß noch machen können, sollten Sie mit Ihrem Arzt besprechen.

Kaltes Wasser für die Beine Lassen Sie beim Duschen am Ende kurz kaltes Wasser über Ihre Beine laufen. Dies lässt die Beinvenen wieder etwas enger werden und der Blutfluss wird verbessert. Die Kompressionsstrümpfe werden sich anschließend auch leichter anlegen lassen.

Studien und weiterführende Quellen

Die positiven Effekte von Kompressionsstrümpfen für schwangere Frauen konnten auch in Studien nachgewiesen werden. Der Blutfluss in den Beinen und in den tiefen Venen hat sich durch das Tragen der Strümpfe (Kompressionsklasse 2) eindeutig verbessert.

Siehe: Büchtemann AS, et al. – Br J Obstet Gynaecol. – 1999 June;106(6):563-9 – The effect of compression therapy in venous haemodynamics in pregnant women.